Albrecht Kresse auf der ATD Conference. Tagebuch, Tag 3

Es fing nicht besonders gut an. Eigentlich hatte ich alle Zeit der Welt, aber dann klappte meine Uber-Verifizierung nicht. Ein normales Taxi zu finden, war auch nicht einfach, und so kam ich zu spät. Glücklicherweise hatte Marcus Buckinghams Vortrag noch nicht begonnen. Und als er es tat, war es wirklich ein Erlebnis. Der Mann kann nicht nur Bücher schreiben – immerhin zwei der zehn erfolgreichsten Wirtschaftsbücher sind von ihm verfasst worden – sondern er ist auch ein begnadeter Redner. Und er räumte mit jeder Menge Lügen auf. Unter anderem, dass Mitarbeiter unbedingt Feedback wollen, dass wir uns entwickeln können, wie wir wollen, Unternehmen erfolgreich sind, die Ziele kaskadieren oder einen klaren Plan verfolgen, und leider sind auch 360-Grad-Feedbacks eher schlecht.

Warum wir auf so komische Sachen wie 360-Grad-Feedbacks kommen, liegt daran, dass wir gerne erforschen, was nicht funktioniert, um dann zu glauben, das Gegenteil sei das Gute. Das Gegenteil von schlecht sei aber eben nicht schlecht und nicht exzellent. Und genau wie man in der Gesundheit vielleicht lieber diejenigen Menschen erforschen sollte, die besonders gesund sind, statt nur die Krankheiten zu erforschen, so ist es auch in der Arbeitswelt. Das ist ja auch schon seit Langem das Credo von Buckingham: Finde heraus, was du wirklich gerne und gut machst. Insofern war seine Botschaft nicht ganz neu.

ATD Conference

Er illustrierte sie am Beispiel von Lionel Messi, der einen begnadeten linken Fuß hat und den rechten eigentlich nur, damit er nicht umfällt. Ähnlich sollten wir es auch machen. Finden Sie also heraus, was ist Ihr linker Fuß, und werden Sie darin exzellent. Und wenn Sie wissen wollen, was Ihnen Spaß macht und wo Sie gut drin sind, dokumentieren Sie eine Woche lang mal, welche Arbeiten und Aufgaben haben Ihnen wirklich Spaß gemacht und wovor haben Sie sich gedrückt oder vielleicht auch was haben Sie an einen neun Mitarbeiter delegiert. Dann haben Sie relativ schnell ein ehrliches Feedback.

Und warum funktionieren 360-Grad-Feedbacks nicht?

62 Prozent des Feedbacks sagt eher etwas aus über den, der es gibt, und nicht über den, der beurteilt wird. Wenn man jetzt sagt, diese schlechten Feedbacks kombiniert man einfach und macht ein 360-Grad-Feedback, dann sagt Buckingham, viele schlechte Feedbacks machen leider im Ergebnis kein gutes im Sinne von passendes oder stimmendes. Keine gute Nachricht für diejenigen, die im Messesaal ihre 360-Grad-Feedbacks verkaufen wollen. Summa summarum: Buckingham war wirklich ein Erlebnis, ein begnadeter Speaker. Schauen Sie mal bei Youtube.

Der Auftritt der Legenden

Danach habe ich mir einen Auftritt der Legenden anschaut: Oldies and Goodies, Learning from Experience. Auf der Bühne saßen Jack Zenger, einer der Gründer von Zenger and Folkman, 87 Jahre alt und immer noch frisch dabei, Ken Blanchard, Jim Kouzes, Elaine Biech und Beverly Kaye. Zusammen haben die fünf mehrere hundert Bücher geschrieben und es war toll, sie auf der Bühne zu erleben.

Auftritt der Legenden

Was war ihre Botschaft? Die gleiche wie bei Buckingham: Liebe, was du tust. Und auch mit Obama waren sie sich einig: Weniger werden wollen und besser auf das Sein und Dienen konzentrieren. Und alle lesen immer noch jede Menge und investieren viel Zeit, um sich mit neuen Inhalten und Fakten zu beschäftigen. Ein tolles Erlebnis!

Weitere Workshops

Conrad GottfredsonDanach war ich in einem Workshop, der mein Weltbild verändert hat. Conrad Gottfredson kümmerte sich um 70-20-10. Das war kein Vortrag, wie man das kooperative Lernen fördert. Nein, ihm geht es darum, dass man einen Großteil des Lernens auf 70 Prozent verlagern kann, also an den Ort, wo die Menschen das neue Wissen wirklich brauchen und sich sofort ausprobieren können. Nämlich am Arbeitsplatz, direkt wenn sie einen neuen Skill anwenden. Dafür braucht es ein etabliertes Performance-Managementsystem, und das ist sein Thema. Der Mann redet nicht nur theoretisch darüber, sondern er tut es auch. Embedded Performance-Managementsysteme sind nicht einfach nur ein Wiki, Sharepoint, LMS, Blogs etc., sondern ein System, das mit einer einfachen Suchfunktion dazu führt, dass man mit zwei Klicks und in maximal zehn Sekunden die Antwort auf alle Fragen hat, die man jetzt in der Situation am Arbeitsplatz benötigt. Er hatte viele Praxisbeispiele und ich hatte auch das Glück, eine deutsche Kundin von ihm sofort kennen zu lernen, die das System erfolgreich einsetzt. Das werde ich mir genauer anschauen.

Danach gab es einen unfassbar schlechten Vortrag mit hässlichen Folien zum Thema Business Outcome Management. Klang spannend, war vollkommen furchtbar. Der Mann brauchte 40 Minuten, um mit einem langatmigen Beispiel und vielen Geschichten etwas zu erzählen, was er vielleicht auch hätte in zehn Minuten erzählen können. Hier bin ich nicht bis zum Ende geblieben.

Zum Abschluss gab es dann noch mal Wissenschaft. Ein bekannter Neurowissenschaftler, der auch mit Paul Zack zusammenarbeitet und Daniel Goldmann, Kenneth Nowack, stellte die neuesten Forschungen aus der Neurowissenschaft zum Thema Feedback vor. Und die waren ähnlich ernüchternd wie die Ergebnisse von Herrn Buckingham zum Thema 360-Grad-Feedback. Auch ich wurde selbst sehr nachdenklich. Die Forschung zeigt, Feedback, das als ungerecht empfunden wird, hat eine ähnlich negative Auswirkung auf die eigene Lebenserwartung wie Rauchen oder falsche Ernährung. Wie krass. Ein Drittel des Feedbacks führt sogar zu schlechteren Leistungen als vorher. Gar kein Feedback ist aber auch keine Lösung. Was sollte man stattdessen tun? Auf stabile Beziehungen setzen, Rapport herstellen, Empathie erzeugen, vielleicht auch mal die Klappe halten und ein Klima der Warmherzigkeit und Ermöglichung schaffen. Der Vortrag brachte jede Menge Informationen, und ich bin ehrlich: Da muss ich noch mal eine ganze Menge nachlesen.

ATD Conference

Und, auch wichtig: Beim Feedback kommt es darauf an, von wem es kommt. Im Arbeitskontext heißt das: Oberboss oder Direct Report oder Kollege. Das macht, was die psychologischen Filter der Wahrnehmung anbelangt, einen riesigen Unterschied. Auch das ein Grund, warum die 360-Grad-Feedbacks, die das alles in eine große Soße gießen, auch nach Meinung von Herrn Nowack so nicht wirklich sinnvoll sind.

Morgen kommt der letzte Tag. Ich bin ein bißchen gesättigt mit Informationen und starte daher erst mit der ersten Session um zehn Uhr. Dann aber zu einem spannenden Thema: Vier Leute berichten von den neuesten Trends der künstlichen Intelligenz und welche Auswirkungen das für Learning and Development hat. Ich bin gespannt.

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