In Ihrem beruflichen Alltag müssen Sie jeden Tag Entscheidungen treffen – ob Sie Führungskraft sind oder nicht. Manchmal liegt die richtige Lösung klar vor Ihnen, ohne dass Sie lange überlegen müssen. Gerade weitreichende Entscheidungen mit Folgen für Kunden und Kollegen ziehen sich jedoch oft lange hin. Auch, weil wir dann dazu neigen, unser Bauchgefühl oder die naheliegende Lösung erst einmal auszublenden und sofort in die Analyse von Zielgruppen, Märkten und Stakeholdern einsteigen. Zahlen, Fakten und schicke Charts geben uns das Gefühl, eine fundierte Entscheidung zu treffen. Das kann funktionieren.
Genauso gut kann Sie aber auch Ihr erstes Bauchgefühl auf den richtigen Weg bringen. Diesen Grundgedanken greift die Methode des Design Thinking auf, indem sie dem intuitiven Herangehen an Probleme die gleiche Bedeutung einräumt wie dem analytischen Denken. Im Design-Thinking-Prozess wechseln Sie bewusst zwischen Phasen der Entdeckung und des Ausprobierens und Phasen der Analyse und Auswertung. Was die Methode zudem ausmacht, ist, dass sie die Bedürfnisse des Nutzers konsequent in den Mittelpunkt rückt – wie im klassischen Produktdesign. Daher auch der Name.
Wie funktioniert Design Thinking?
Design Thinking funktioniert am besten im Team. Je vielfältiger die Erfahrungen und fachlichen Hintergründe der Team-Mitglieder, desto besser. Der Idealfall: Vertreter aus verschiedenen Abteilungen repräsentieren die drei Perspektiven, die bei der Entscheidungsfindung maßgeblich sind:
- die Perspektive des Nutzers
- die Perspektive des technisch Machbaren
- die Perspektive des wirtschaftlich Sinnvollen.
Herzstück des Design Thinking ist der iterative Prozess, also das Ausprobieren von Ideen. Dafür entwickelt das Team permanent Prototypen und unterzieht diese sofort dem Praxistest. Das klingt furchtbar technisch, ist aber ganz einfach. Mit ein paar Stühlen und Tischen lässt sich das geplante Kundencenter im Nu visualisieren. Die Teammitglieder schlüpfen in die Rollen von Kunden und Beratern – fertig ist der Prototyp.
Es geht nicht um Perfektion, sondern ums Probieren.
Was funktioniert gut? Wo müssen wir nachbessern? Was macht überhaupt keinen Sinn? Was fehlt? Nach jedem Test wird ausgewertet und angepasst.
Die sechs Schritte
Design Thinking kann, muss aber nicht zur endgültigen Lösung Ihres Problems führen. Die Methode bringt in erster Linie Ihre grauen Zellen in Schwung, animiert Sie dazu, auch ungewöhnliche Wege in Betracht zu ziehen und gibt Ihrem kreativen Denkprozess eine Struktur – und die umfasst sechs Schritte.
- Understand: Hier ist die Lösung! – Was war nochmal das Problem? Manchmal verlieren wir vor lauter Analysen und Zielgruppendefinitionen das Wesentliche aus dem Blick. Die eine Frage, um die es geht. Finden Sie diese im Team und schreiben Sie sie gut sichtbar auf. Dabei gilt: Keep it simple! Beispiel: Wie können wir die Mitarbeiterzufriedenheit in den Berliner Kundencentern verbessern?
- Observe: Lernen Sie den Nutzer kennen! Statt im Netz nach Sinus-Milieus zu googeln, gehen Sie raus und sprechen Sie mit den Leuten, die Sie erreichen wollen. Fragen Sie, was Sie brauchen oder beobachten Sie sie in Situationen, die für Ihre Problemlösung relevant sind. Fragen Sie auch Personen aus dem Umfeld der Zielgruppe.
- Point-of-View: Tauschen Sie sich im Team zu Ihren Beobachtungen aus. Erzählen Sie Geschichten über die Nutzer und fügen Sie diese zu einem Gesamtbild zusammen. Dieses zeigt Ihren prototypischen Nutzer mit seinen speziellen Bedürfnissen. Nun können Sie Ihre Frage noch genauer formulieren. Wie können wir Steffen, der seit 7 Jahren im Kundencenter in Berlin Mitte arbeitet, der Abwechslung liebt und oft keine Zeit hat, sich mit den neuesten technischen Daten zu beschäftigen, die er Kunden vermitteln soll, unterstützen, damit er wieder mit Freude zur Arbeit geht?
- Ideate: Das Brainstorming ist eröffnet. Halten Sie alle Gedanken auf Post-Its, Karten oder auf dem Flipchart fest. Auch andere Kreativitätstechniken sind möglich. Ziel ist es, möglichst viele Ideen zu produzieren. Nach dem Sortieren entscheidet die Gruppe, welche Ideen sie weiterverfolgen möchte.
- Prototype: Nun geht es darum, die besten Ideen auszuprobieren. Im Team entwickeln Sie dafür einfache Prototypen. Das kann ein Storyboard sein, ein Modell aus Papier oder ein Rollenspiel, solange es hilft, die Idee zu verstehen, sie weiterzuentwickeln – oder zu verwerfen. Beispiel Storyboard: Steffen rotiert und arbeitet drei Mal im Monat in anderen Kundencentern. So bekommt er die Abwechslung, die er sich wünscht, und so kann er sich mit den Kollegen zu neuen Geräten austauschen.
- Test: Nimmt die Idee konkrete Formen an, binden Sie die Zielgruppe mit ein. Sprechen Sie mit Steffen und nutzen Sie das Feedback, um weiter an der Idee zu feilen – oder nach einer Alternative zu suchen (siehe Punkt 4).
Design Thinking möchte auch an die verrückten Ideen ran und an die vermeintlich banalen. An Kopf und Bauch! Das funktioniert am besten, wenn das Team sich abseits der angestammten Schreibtische und Räume bewegt. Flexible Möbel, mobile Trennwände und Boards mit viel Platz für Notizen sowie ausreichend Arbeitsmaterial wie Post-Its und Marker helfen dabei, Gedankenprozesse sichtbar zu machen.
Auf einen Blick
- Design Thinking umfasst 6 Schritte: Understand, Observe, Point-of-View, Ideate, Prototype und Test.
- Eine einfach formulierte Frage, die den Kern des Problems beschreibt, steht am Anfang.
- Die mögliche Lösung wird anhand eines prototypischen Nutzers durchgespielt. Dabei werden Ideen sofort mit einfachen Mitteln im Team, später unter Einbezug der Zielgruppe getestet.