Präsenztrainings sind Geschichte…

Ich gelte ja seit März 2020 als Live-Online-Trainingsenthusiast. Ich habe in den letzten zehn Monaten knapp 150 Live-Online-Trainings durchgeführt. Wir haben ein Studio aufgebaut, mit dem wir wirklich sehr gute interaktive Live-Online-Trainings möglich machen können. Und ich kann sagen, Live-Online-Trainings sind keine Notlösung, sondern eine absolut bereichernde Erweiterung unseres Trainingsspektrums. Und die Postings, die ich in den letzten Monaten vor dem abermaligen Lockdown beobachten konnte zum Thema „Super, wir führen wieder Präsenztrainings durch oder Workshops oder Seminare“ bestätigen mich in dem Artikel, den ich schon im Juni gepostet habe. Viele dieser Bilder sehen aus wie aus den 90er-Jahren.

Langweilige Trainings

Da muss ich leider sagen, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich unbeliebt mache: Um diese Art von Veranstaltung ist es nicht schade. Und es ist geradezu absurd, wenn begnadete Präsenztrainerinnen und -trainer dazu gezwungen werden, unter Corona-Auflagen Steinzeitdidaktik zu betreiben.

Nun sind Präsenztrainings schon wieder absolut Geschichte. In den letzten Monaten wurde bei uns alles storniert, was für November und Dezember wieder in Präsenz gedacht war. Doch „storniert“ ist das falsche Wort: Wir wandeln es um in Live-Online-Trainings. Und ich muss ein bisschen schimpfen, denn viele dieser Kunden hatte ich immer wieder gefragt: Seid ihr sicher, dass es wirklich in Präsenz stattfindet? Das Prinzip Hoffnung hat in vielen Fällen viel Geld gekostet, denn Hotels mussten storniert werden. Und nicht immer gelingt das kostenfrei. Ehrlich gesagt kann ich die Hotels hier auch gut verstehen: Die Stornogebühren sind momentan ihre einzigen Einnahmen.

Die Hoffnung auf Präsenztrainings

Der langen Rede kurzer Sinn: Auf Präsenztrainings zu hoffen, ergibt für das nächste halbe Jahr keinen Sinn. Immer mehr Unternehmen entscheiden sich dazu, auf eine Online-Only-Strategie umzuschalten. Präsenztrainings, Seminare, Workshops werden überhaupt nicht mehr geplant. Das ist eine krasse Veränderung, eine echte Disruption. Denn wenn in einem Unternehmen ein Jahr lang oder länger kein einziges Präsenztraining mehr stattgefunden hat, ist klar: Hier haben sich Strukturen verfestigt.

Seminarraum

Präsenztrainings werden ab 2022 ein wichtiges Format sein, aber kein Standard mehr. In manchen Unternehmen sogar eine Ausnahme. Darauf müssen sich alle Akteure innerhalb der Learning-and-Development-Community einstellt. Eine krasse Veränderung.

Daraus folgt:

  1. Wir müssen alle richtig gute Live-Online-Trainerinnen und -Trainer werden.
  2. Wir brauchen dafür das notwendige Setup: technisch, methodisch. Die Anforderungen daran werden weiter wachsen. Wie immer sind es die amerikanischen Supertrainer, die hier voranschreiten, zum Beispiel Tony Robbins. Und es gibt auch schon einige deutsche Kollegen mit zweifelhaften Leumund, die aber technisch durchaus als Vorbild dienen können.
  3. Wir müssen unsere Trainingskonzepte komplett umstellen. Ein Präsenztraining lässt sich nicht einfach 1:1 live online umsetzen. Die Zeitpläne ändern sich. Zweimal acht Stunden ergeben keinen Sinn. Manche Übungen funktionieren nicht, andere dafür besser. Kurzum: Jedes Training will neu designt werden.

Genau das findet momentan in manchen Unternehmen statt. Für freiberufliche Trainerinnen und Trainer oder Agenturen bedeutet dies: Neukonzeption müssen wir uns auch bezahlen lassen. Hier mangelt es manchen Auftraggebern noch an Verständnis.

Live Online Training

Eine Lanze für technische Moderatoren

Abschließend noch mein Credo: Wir brauchen eine neue Rolle bei Live-Online-Trainings, -Seminaren, -Schulungen und -Workshops, nämlich den technischen Moderator oder die technische Moderatorin. Einer allein kann das nicht stemmen. Je interaktiver die Veranstaltung, umso überforderter ist eine Person. Wir brauchen einen zweiten Akteur, der das Tool überwacht, die Gruppen einteilt, technische Probleme löst, manche Tools vorstellt, im Vorfeld schon dafür sorgt, dass man schon beispielsweise zum Tenant des Kunden in Microsoft Teams eingeladen wird, etc. Und hier gilt es, dass wir diese neue Rolle alle aktiv promoten.

Dabei geht es gar nicht um den Umsatz, denn für uns als Agentur bin ich schon froh, wenn ich gute technische Moderatoren finde. Ich möchte gar nicht daran verdienen. Es geht darum, dass alle speziell in den Unternehmen diese Notwendigkeit verstehen. Kein Mensch ist multitaskingfähig, auch Trainerinnen und Trainer nicht. Und wenn wir versuchen, das Tool, unser technisches Setup im Studio und das Training selbst gleichzeitig zu steuern, überfordern wir unser Gehirn.

Wenn der Kunde nicht bezahlt, was eigentlich notwendig ist, landet man bei vielleicht perfekt geplanten, aber eher weniger interaktiven und keinesfalls flexiblen Live-Online-Erlebnissen. Und daran hat keiner ein Interesse, weder die Teilnehmenden noch die Trainerinnen und Trainer noch der Auftraggeber. Eigentlich haben wir hier alle die gleichen Interessen – wir wissen es nur noch nicht.


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