Lernen wird agil: Neues Arbeiten braucht eine neue Lernkultur

Was haben Honecker, die BER-Planer und viele Unternehmen gemeinsam? Sie wurden und werden bei ihren Planungen von der Realität überholt. Die Fünfjahrespläne der DDR-Wirtschaft erwiesen sich als Selbstbetrug. Beim Berliner Flughafen war schon mit dem ersten Spatenstich klar, dass er doppelt so groß gebaut werden müsste. Auch so manches Unternehmen wird von einer dynamischen Gegenwart überrascht. In der Personalentwicklung erleben wir es oft genug. Strategien ändern sich, Mitarbeiter gehen, Bereiche schließen – und plötzlich zwickt das scheinbar maßgeschneiderte Trainingsprogramm wie ein Konfirmationsanzug.

Berlin Brandenburg Airport

Die Konsequenz: In einer immer schnelllebigeren Zeit müssen wir flexibler, wendiger, flinker werden. Das Buzzword der Stunde heißt Agilität. Agiles Arbeiten, auch als Management 3.0 bekannt, erfordert ein Umdenken beim Lernen in der Organisation.

Wie sieht diese neue Lernkultur aus?

Beginnen wir beim agilen Arbeiten. Die Softwarebranche war hier der Vorreiter. Ihr agiles Projektmanagement fußt auf vier Prinzipen:

  1. man teilt die Arbeit in überschaubare Schritte ein,
  2. überprüft und passt die Arbeitsergebnisse permanent an,
  3. bezieht den Nutzer von Anfang ein und
  4. nutzt Planungs-Tools wie zum Beispiel Kanban-Tafeln.

Seit einigen Jahren verlassen die agilen Arbeitsweisen das Silo der Softwareentwicklung. Die Einbindung des Kunden bzw. Nutzers ins Projektmanagement erscheint vielerorts sinnvoll, eine kürzer getaktete Prüfung von Meilensteinen ebenfalls. Aus dieser Erkenntnis entwickelten sich Methoden, die man unter dem Begriff Management 3.0 subsumiert. Einer der prominentesten Vordenker ist hier der Niederländer Jurgen Appelo. John Kotter, ein anderer Managementguru, fordert Unternehmen in seinem Buch „Accelerate“ auf, eine zweite agile Struktur innerhalb der klassischen Struktur aufzubauen, um schneller auf die aktuellen Erfordernisse reagieren zu können.

Gestern und heute

Wandel der Arbeitskultur

Wie radikal sich die Arbeitskultur wandelt, und welche Konsequenzen das für die Lernkultur hat, sehen wir zum Beispiel beim Verhältnis von Führung und Mitarbeiter.

Gestern: die Führungskraft als Aufgabenverteiler, der Ziele in Arbeitspakete aufteilt und diese nach dem Push-Prinzip delegiert.

Heute: eigenverantwortliche Mitarbeiter, die in Experten-Gilden und zeitlich befristeten Teams jenseits der Hierarchie eigene Aufgaben und Projekte nach dem Pull-Prinzip aus den aktuellen Anforderungen des Unternehmens ableiten.

Hierarchien ade! Neue Lerninhalte und -angebote müssen her.

Die Art des Lernens muss sich ändern

Auch die Art des Lernens muss sich wandeln.

In vielen Unternehmen orientieren sich Weiterbildung und Personalentwicklung noch am tradierten Bild vom Maschinenmenschen: Der Arbeitnehmer wird vermessen, ein Kompetenzprofil entworfen, Lücken identifiziert und langfristige Programme aufgestellt. Dann entwickelt man den Mitarbeiter für die jeweiligen Aufgaben, Rollen und Profile irgendwie zurecht. Anpassung an neue Anforderungen? Schwer möglich.

Wie geht es besser, sprich agiler?

Bei der Umsetzung von Lernen 3.0 im Unternehmen sind diese Prinzipien wichtig:

  1. Agile Trainingsformate. Statt in Zwei-Tages-Trainings wird in Projekten gedacht. Der Trainer ist Lernbegleiter, der Mitarbeiter befähigt, die nötigen Skills zu erwerben und sofort in den Arbeitsalltag zu integrieren. Das heißt: Kleine Lerneinheiten, kurze Trainingszeiten, flexible Anpassung an aktuelle Anforderungen, schnelle Formatwechsel zwischen Training, Coaching und Workshop.
  2. Förderung des Selbstlernens. 70 Prozent dessen, was wir im Unternehmen lernen, lernen wir durch die Arbeit selbst, 20 Prozent durch andere und nur 10 Prozent durch formelles Lernen. Um die 70 und 20 Prozent des Lernens bewusst zu fördern, braucht es den richtigen Methodenmix und eine agile Lernlandschaft im Unternehmen.
  3. Synchronisierte Ziele. Unternehmen, die es schaffen, Mitarbeiter- und Unternehmensziele zu synchronisieren, sind am erfolgreichsten. Die Mitarbeiter- und Unternehmensentwicklung sollte immer dem Unternehmensziel dienen.
  4. Sofortige Reaktion. Agil sein heißt, alle Aktionen und Ereignisse aktuell zu hinterfragen. Veränderte Bedürfnisse und Anforderungen können dadurch sofort berücksichtigt werden.
  5. Veränderte Rollen. Lernende, Programmentwickler, Trainer und Auftraggeber sind im Idealfall gleichberechtigt, ihre Rollen vermischen sich. Aus dem klassischen Trainer wird wie oben beschrieben ein Lernbegleiter. Aus dem typischen Teilnehmer wird ein aktiver Mitlerner und Gestalter sowie Produzent von Lerninhalten.
  6. Interdisziplinäres Trainingsdesign. Mit Prinzipien aus dem Design Thinking wie zum Beispiel dem Einsatz eines interdisziplinären Teams, visuellen Methoden bei der Entwicklung sowie konsequentem Prototyping wird das Learning Design zur Grundlage der kompletten Lernarchitektur.

Anpassung an Veränderung, darum dreht es sich beim Lernen. Eine agile Organisation ist daher besonders anpassungsfähig. Sie profitiert langfristig von einer Kultur des permanenten Wandels und Lernens. Erfolg hat, wer schneller lernt. Honecker hilft diese Einsicht nicht mehr, dem BER vielleicht und den Unternehmen ganz bestimmt.


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